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18.05.16 –
Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, stellt einen Wandel des Armutsbegriffs fest, der nicht dem aktuellen Armutsbericht, der nicht den Gegebenheiten in Deutschland entspricht. Denn nicht nur Flaschensammeln und unter Brücken schlafen sei Armut. Seiner Ansicht nach trifft es auch nicht zu, wie behauptet wird, dass Hartz IV und Grundsicherung Armut bekämpfen.
„Der Paritätische würde unlauter skandalisieren“, so erzählte Schneider bei einer Lesung am 17. Mai im Gdanska von den Unterstellungen des von ihm als neoliberal klassifizierten Mainstreams. Nachdenklichkeit würde zur Nörgelei erklärt, denn Altruismus und kritische Reflektion können dem Neoliberalismus gefährlich werden. „Wir lassen nicht zu, dass eine neue Sprache einzieht“, beschreibt er die Motivation seines herausgegebenen Buches „Kampf um die Armut“. „Denn wer besitzt die Deutungshoheit über den Armutsbegriff?“
Das beantwortete Schneider an diesem Abend nicht allein. An seiner Seite: Stefan Sell, Ko-Autor und Professor für Volks- & Sozialwirtschaftslehre an der Hochschule Koblenz.
Sell erklärte auf der Veranstaltung, zu der die Oberhausener GRÜNEN und der Paritätische einluden, warum er seinem Buch-Beitrag den scheinbar sperrigen Titel „Das ist keine Armut, sondern »nur« Ungleichheit?“ verlieh.
Mittlerweile, so Sell, sei Kritik an sozialer Ungleichheit aus dem volkswirtschaftlichen Bereich vernehmbar, die deutlicher trifft. Armut sei ein Teilbereich der sozialen Ungleichheit, von der in Deutschland, nicht nur zehn, sondern vierzig Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Denn auch jene, die knapp über Hartz IV liegen, dürfen keinesfalls durch den Wandel des Armutsbegriffs ausgeklammert werden.
Ulrich Schneider verdeutlichte dies eindringlich am Beispiel des Abiturballs seiner Kinder. 60 Euro koste der Eintritt pro Person, da sei die nur dafür angeschaffte Kleidung nicht miteingerechnet. Er kennt Eltern, die sich für diesen teuren Abend verschuldeten, weil solch eine Extra-Ausgabe einfach nicht drin sei.
Eingangs begrüßte der GRÜNE Fraktionsvize Andreas Blanke die Anwesenden, indem er den Zusammenhang zwischen Bildung und Armut betonte. Als skandalös bezeichnete er, dass Armut in einem reichen Land wie Deutschland oftmals „vererbt wird“ und in diesem Zusammenhang von „bildungsfernen Schichten“ gesprochen wird. „Wenn wir es nicht hinbekommen, dass Kinder gleiche Chancen zum Beispiel im Bereich der frühkindlichen Bildung erhalten, ist der Weg leider oftmals für viele negativ vorprogrammiert. Kinderarmut, die auch in Oberhausen immer stärker wird, muss uns beschämen“, so Blanke weiter.
Der Kreis schloss sich, als Stefan Sell, aufgrund eines Plädoyers aus dem Publikum für kleinere Schulklassen und der damit vermuteten einhergehenden Erhöhung der Chancengleichheit, das Beispiel Kanada heranzog. Dort würde die Schulleitung für jedes Kind, das beispielsweise einen Migrationshintergrund oder eine Behinderung habe, den siebenfachen Betrag erhalten. Sell fragte, ob dies auch in Essen-Katernberg vorstellbar wäre? „Machen Sie sich nichts vor. So wie unserer Schulsystem strukturiert ist, ist es nicht möglich, durch Bildung Armut tatsächlich zu bekämpfen.“
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