Rede des Stadtverordneten Tim Dobnik anlässlich der Großen Anfrage "Radverkehr" in der Sitzung des Rates der Stadt Oberhausen am 07.02.2022

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, unsere Fraktion DIE GRÜNEN hat sich doch sehr gewundert, über diese Große Anfrage aus dem Dezember des letzten Jahres. Nicht nur, dass sie im selben Monat gestellt wurde, in dem im Haushalt ein weiteres Male unser Antrag für einen auskömmlichen Radverkehrsetat abgelehnt wurde. Auch ist mit dieser großen Anfrage von 40 Fragen deren Antwort 23 Seiten umfasst eine so relevante und unterbesetzte Fachabteilung unnötig beschäftigt worden, man könnte es fast als ABM interpretieren. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch diese ausführliche Zusammenstellung ebenso in Schubladen verschwindet wie viele anderen Machbarkeitsstudien, Konzepte und Masterpläne der letzten Jahre. Denn was erlebten wir in den letzten Tagen? Das Nahmobilitätskonzept Alt Oberhausen wird aus der Beratungsfolge zurückgezogen, als Reaktion auf wegfallende Auto-Parkplätze. Die Augen werden verschlossen vor den Notwendigkeiten für das Gelingen der Verkehrswende. Oder in aktueller Spielfilmsprache gesagt: „Don‘t Look up“

10.02.22 –

- Es gilt das gesprochene Wort. –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren,

unsere Fraktion DIE GRÜNEN hat sich doch sehr gewundert, über diese Große Anfrage aus dem Dezember des letzten Jahres. Nicht nur, dass sie im selben Monat gestellt wurde, in dem im Haushalt ein weiteres Male unser Antrag für einen auskömmlichen Radverkehrsetat abgelehnt wurde. Auch ist mit dieser großen Anfrage von 40 Fragen deren Antwort 23 Seiten umfasst eine so relevante und unterbesetzte Fachabteilung unnötig beschäftigt worden, man könnte es fast als ABM interpretieren. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch diese ausführliche Zusammenstellung ebenso in Schubladen verschwindet wie viele anderen Machbarkeitsstudien, Konzepte und Masterpläne der letzten Jahre.

Denn was erlebten wir in den letzten Tagen? Das Nahmobilitätskonzept Alt Oberhausen wird aus der Beratungsfolge zurückgezogen, als Reaktion auf wegfallende Auto-Parkplätze.

Die Augen werden verschlossen vor den Notwendigkeiten für das Gelingen der Verkehrswende. Oder in aktueller Spielfilmsprache gesagt: „Don‘t Look up“

Wer wirklich in Oberhausen Radfahrer oder Radfahrerin ist, der weiß über den desolaten Zustand zu berichten und braucht dafür keine Anfrage. Was ich gleich berichte, erlebe ich hier täglich. Ich versuche in Oberhausen möglichst alle Strecken mit dem Rad zu fahren. Damit komme ich auf etwa 3-5000km im Jahr, das ist nicht enorm viel, aber es genügt, um den ihren Zustand beschreiben zu können. Radwege enden im Nichts, Baumwurzeln oder „halbe Bordsteinabsenkungen“ lassen einem die Satteltaschen mit dem Mittagessen für die Arbeit abfliegen, oft stehen an Baustellen die Schilder "Radweg Ende" und "Radfahrer absteigen", stellen Sie mal so ein Schild für Autofahrer auf. 

Sie finden all diese Stellen zusammengetragen auf der Problemkarte der Initiative "oberhausen sattelt um" im Netz, quasi zum Abarbeiten!

Aber auch für alle nicht Alltags-Radfahrer*innen ist der Zustand der Radwege ausreichend beschrieben. Der jährliche ADFC Fahrradklimatest sollte jedem bekannt sein, auch die Bürgerbefragung wurde uns netterweise wieder mitgeliefert.

Ich dachte, ich bringe ein paar O-Töne aus der letzten Befragung des ADFC Fahrradklimatests von Oberhausener Radfahrer*innen mit:

Ein paar Beispiele:

„[…] man muss auf wenigen 100m viermal die Straßenseite wechseln. Zudem sind die Fahrradstreifen oft zugeparkt und viel zu schmal, besonders, wenn der Fahrradweg auf der Straße platziert ist. Dann passt teilweise nicht mal das Fahrradzeichen auf den Radweg.“

Ein anderer Radler: 

„Die neu geschaffenen Radtrassen sind sehr gut ausgebaut, die Wege durch die Stadt eine Katastrophe.“

Eine Pendlerin die bestimmt sehr zufrieden ist:

„[…]ich fahre jeden Tag 3 km zur Arbeit und wechsle […] von huckeeliger Straße, auf Radweg über Autobahnauffahrten, auf plötzlich endenden Radweg am Sterkrader Tor, auf vielbefahrener, enger Straße, auf kombinierten Fuss- Radweg, auf Radweg auf der Autofahrbahn [...] jeden Morgen ein Abenteuer[… ] auf 3km […] “

Die Bewertung im Fahrradklimatest: 4,0 ! 

Das ist NICHT GUT! 

Ganz nach dem Motto „4 gewinnt“?

Von 2014-2020 konnte der Fahrradanteil im Modalsplit von 6-10% gesteigert werden, approximiert erreichen wir die 25% im Jahr 2044. Der Nationale Radverkehrsplan der großen Koalition aus dem Jahr 2021 gibt allerdings vor dies bis 2030 zu erreichen! Wir in Oberhausen müssen das bisherige Tempo VER-DREI-FACHEN! 

Wundert uns das? Dazu die Antworten zu Frage 9 und 10) 

10 Jahre für 2 geförderte Radwege, 5 Jahre und insgesamt 8 neue oder erneuerte Radwege!

Oder anders gesagt, nur etwas mehr des Bekannten, wird hierfür nicht genug sein. Es müssen ganz andere Hebel umgelegt werden.

Würden Sie auf diesen/unseren Straßen (wie gerade beschrieben) ihre Kinder mit dem Rad zur Schule schicken? Warum frage ich das denn jetzt? Weil genau das ist sooo wichtig! In dieser Zeit werden Kinder selbstständig und können diese Selbstständigkeit mit dem Fahrrad verbinden. Wenn das gelingt, werden diese Kinder sich nicht an wegfallende Parkplätze gewöhnen müssen! Diese Chance nehmen wir ihnen aktuell. Wir machen ihnen das Leben schwerer!

Selbst ich erwische mich hin und wieder noch „mal eben schnell das Auto nehmen zu wollen“! Meine Frau hingegen ist ihr Lebtag mit dem Rad zur Grundschule und Weiterführenden gefahren. Sie hatte nie ein eigenes Auto. Ihr fällt das viel leichter! Die Idee, das Auto zu nutzen, kommt ihr erst gar nicht. 

Also, wie sehen Radwege nun aus, auf denen sie ihr Kind zur Schule fahren lassen?

Hierzu hatten wir im letzten Jahr einen Prüfantrag gestellt, an welchen Straßen vor Oberhausener Schulen Fahrradstraßen eingerichtet werden können. Dieser ist natürlich von den beiden großen Fraktionen abgelehnt worden.

Aber genau diese großen Hebel müssen wir jetzt umlegen!

Ich war im letzten Sommer auf einer Radtour in Nimwegen. Dort konnte ich einen Modalsplit von 25% Radverkehr erleben! 

Was sind 25%? Wie fühlt sich das an?

Wie gesagt, fahre ich viel Fahrrad, aber was ich dort erlebt habe, hat mich geflasht!! Es ist das Erlebnis einer anderen Mobilität. Ich glaube am besten beschreibt es der Satz: „Man fließt im Straßenverkehr, nur nicht mit dem Auto, sondern mit dem Rad“. Man kann nicht einfach stehen bleiben auf dem Radweg, macht man ja beim Autofahren auf der Straße ja auch nicht! Man muss vorher überlegen, wo man sich einsortiert, es gibt halt drei Spuren für drei Richtungen!“ Radfahren wir Autofahren! Mitschwimmen im Verkehrsfluss, Radverkehrsfluss. Das sind 25% Radverkehr im Modalsplit.

Die Niederlande hat sich bereits vor 30 Jahre auf den Weg gemacht in die Mobilitätswende. Wir in Oberhausen müssen unseren eigenen Weg gehen. Aber er muss nicht zuletzt auf Grund der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte ein viel Kürzerer sein.

Wir müssen jetzt das Ausbautempo ver-drei-fachten. Wie schafft man das jetzt? 

Wir müssen ins `Doing´ kommen! 

Es müssen die vorhandenen Konzepte umgesetzt werden, sie sind oft hervorragend. Man muss die mit ihnen verbundene Veränderungen dann aber auch aushalten!

Wir brauchen den Haushaltetat für Rad- und Fußverkehr. Wie unsere Fraktion ihn in 2021 – 2x - beantragt hatte. 

Entsprechend dieses Etats kann in den Fachabteilungen das Personal umverteilt/verplant werden. Antwort 20 ihrer Anfrage beschreibt diese Dringlichkeit sehr deutlich! 

Und vielleicht eins zum Abschluss. 

Machen Sie einen Wochenendtrip nach Nimwegen, Kopenhagen, Münster oder Paris. Abgucken ist nicht verboten und persönlich erleben so wichtig. 

Wenn ihnen dann das nächste Konzept auf den ersten Blick wieder zu krass erscheint, dann denken Sie nochmal an Ihren Urlaub zurück. Vielleicht ist diese krasse Veränderung genau das, was Oberhausen jetzt braucht!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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