Rede von Frau Baumann im Rat der Stadt Oberhausen zur großen Anfrage "Einsamkeit"

25.09.23 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren.

 

In der Corona-Krise habe ich häufig gesagt, „uns Studierende hat man im Home-Office vergessen“. Drei Semester haben meine Kommiliton*innen und ich alleine mit meinem Laptop zu Hause verbracht und ja, es war verdammt oft einsam.

In der Corona-Krise habe ich häufig gesagt „uns Studierende hat man im Home-Office vergessen“. Drei Semester haben meine Kommiliton*innen und ich alleine mit meinem Laptop zuhause verbracht und ja, es war verdammt oft einsam. Verstehen sie mich nicht falsch, die Maßnahmen waren richtig und notwendig, aber das, was ich und viele junge Menschen in der Pandemie erlebt haben, ist leider symptomatisch für den Stellenwert von uns im politischen Diskurs: „Kümmern wir uns drum, wenn wir Zeit haben“.

Und leider erhalten junge Menschen in der großen Anfrage auch kaum Aufmerksamkeit. Dabei sind sie mindestens genauso betroffen von Einsamkeit. Studien zeigen, dass nicht nur Senior*innen von Einsamkeit betroffen sind, insbesondere Menschen unter 30 fühlen sich häufig einsam. Tendenz in den letzten 40 Jahren steigend. Und ehrlich gesagt überrascht haben mich die Zahlen nicht - dafür muss ich mir nicht mal die Zukunft ausmalen - die meine Generation erwartet. In den letzten Jahren reiht sich Krise, an Katastrophe, an Krise, und verdammt oft fühlen wir uns damit alleine. Und jetzt kürzt uns nicht nur Christian Lindner und die Bundesregierung die Mittel im Kinder- und Jugendförderplan, auch wir in Oberhausen stehen mal wieder kurz vorm haushaltspolitischen Exitus.
Aber wenn wir Einsamkeit und die Folgen effektiv bekämpfen wollen brauchen wir nicht weniger Jugendzentren und Orte, an denen sich junge Menschen unabhängig von Herkunft, Einkommen und Bildungsgrad treffen können, wir brauchen mehr Jugendarbeit nicht weniger!

Und nicht nur arme Kinder fühlen sich häufiger ausgeschlossen und allein – übrigens gut die Hälfte – auch bei allen anderen Altersgruppen besteht ein Zusammenhang zwischen Armut und Einsamkeit. Der Paritätische schreibt in der Antwort auf die Anfrage, dass zu Zeiten des 9€-Tickets plötzlich Menschen bei ihren Angeboten erschienen, die sonst nicht kommen, warum? Weil sie sich nun Mobilität und damit Teilhabe leisten konnten.
Und dieses Gremium hier kann sich oft genug nicht dazu durchringen: günstige, gute und nachhaltige Mobilität für alle zu ermöglichen. Wenn wir alle es ernst meinen mit der Bekämpfung von Einsamkeit, reicht es nicht aus, einen weiteren Senior*innennachmittag von Ehrenamtlichen ausrichten zu lassen – so wichtig ihr Einsatz für die Gesellschaft ist - wir müssen auch in Bereichen wie der Planung dringend umdenken.

In der Antwort schreibt auch die Verwaltung – ich zitiere – „städtebauliches Ziel bei allen Planverfahren ist es, intakte Nachbarschaften zu entwickeln und zu gewährleisten. Hierbei spielt die soziale Mischung von Quartieren eine besondere Rolle“. Auch in der Antwort auf die Frage zeigt sich der Süden und Osten ist deutlich stärker von Armut betroffen, im Norden wird man älter, auch das hat oft mit dem sozioökonomischen Status zu tun.

Und Erinnern wir uns an den Masterplan Neue Mitte, ausgelobtes Ziel hier unteranderem die Zahl von qualitativ hochwertigem Wohnraum erhöhen. Ja, wir brauchen mehr guten Wohnraum in Oberhausen, aber was nicht als geplante Gentrifizierung, sondern guten preiswerten Wohnraum für alle Menschen egal wie groß der Geldbeutel ist. Einsamkeit bekämpfen wir so nicht, wenn wir weiterhin die Prioritäten auf Autos, Seilbahnen und Segregation von Besserverdienende legen.

Und nicht zuletzt gefährdet Einsamkeit und deren mangelnde Bekämpfung die Demokratie. Die neue Mitte Studie hat herausgefunden, dass Einsamkeit auf Dauer das Vertrauen in Mitmenschen, Institutionen und Umwelt senkt und dass sie abwertende und feindselige Einstellungen fördert. Junge Menschen hängen, wenn sie sich einsam fühlen häufiger Verschwörungserzählungen an, billigen Autoritarismus und politische Gewalt. Soziale Maßnahmen, die Menschen in Einsamkeit, Krisensituationen und ökonomischer Not nicht allein lassen, sind also nicht nur eine Frage von Menschlichkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt, sondern auch für das Überleben unserer Demokratie.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister machen wir ernst mit der Bekämpfung von Einsamkeit und gesellschaftlicher Spaltung, setzen wir uns ein für eine effektive Armutsbekämpfung für jung und alt. Schaffen wir Begegnungsräume, an denen wirklich alle Menschen teilnehmen können. Bauen wir eine Stadt für Menschen, eine Stadt in denen wieder Nachbar*innenschaften entstehen können. Für ein Oberhausen der Vielen und nicht der Wenigen.

Vielen Dank

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Dr. Franziska Krumwiede-Steiner

Bundestagsabgeordnete für Oberhausen – Wesel III

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