Ratsrede (14.03.2016) von Regina Wittmann: „Gleichstellungspolitik strategisch denken und wirksam umsetzen"

(Es gilt das gesprochene Wort) Sehr geehrte Herr Oberbürgermeister,liebe Kolleginnen und Kollegen,liebe Bürgerinnen und Bürger, es gibt ihn wieder - den Jahresbericht der Gleichstellung - denn nachdem er 2011-13 erschienen und zuletzt 2014 vorgestellt wurde, gab es eine dezente Lücke. Diese beruhte auf dem interessanten Missverständnis, dass man diesen Bericht nicht mehr bräuchte, denn nun gäbe es ja den Gleichstellungsausschuss mit seinen vielen Berichten.

16.03.16 –

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

es gibt ihn wieder - den Jahresbericht der Gleichstellung - denn nachdem er 2011-13 erschienen und zuletzt 2014 vorgestellt wurde, gab es eine dezente Lücke. Diese beruhte auf dem interessanten Missverständnis, dass man diesen Bericht nicht mehr bräuchte, denn nun gäbe es ja den Gleichstellungsausschuss mit seinen vielen Berichten.

Die Frage, ob wir den Jahresbericht nach wie vor brauchen, hat sie sich denn überhaupt gestellt?

Der interfraktionelle Antrag war hier eindeutig: Ja, wir brauchen ihn und wir brauchen ihn dringend! So war und ist der politische Auftrag dazu auch als Mahnung zu verstehen:
Unmissverständlich aufzuzeigen, wie und wo Gleichstellungsarbeit funktioniert und insbesondere auch wo nicht!

Indem im Bericht dieser Sachverhalt explizit noch einmal betont wird - der Bericht also nicht aus dem eigenen Bedürfnis des Bereichs Gleichstellung nach Information einer breiten Öffentlichkeit, sondern nun aus dem Auftrag der Politik resultiert - fragen wir Grüne uns allerdings nach wie vor, ob eigentlich klar ist, welche Symbolwirkung davon ausgeht. Die Chance, diesen Bericht aus der doch völlig selbstverständlichen Notwendigkeit zu bringen, über diese wichtige Querschnittaufgabe zu informieren - so wie es in allen möglichen anderen Bereichen so ziemlich überall gang und und gäbe ist (Schulsport, Wirtschaftsförderung, Stadtbibliothek …) - wurde hier vertan.

Nun liegt der Bericht also wieder vor und ja, die viele Arbeit, die sich hinter der Vielfalt der hier aufgelisteten Themen, Termine, runden Tische, Aktionen … verbirgt, verdient Lob! Und sicherlich, ich könnte jetzt wieder über die schwierigen Rahmenbedingungen, die knappe Personalausstattung sowie die mangelnde gesamtgesellschaftliche Akzeptanz lamentieren und betonen, wie viel der Bereich Gleichstellung dennoch mit knappen Ressourcen schafft…

Dies ist unbenommen, doch es wäre eine vertane Chance!

Denn der Bericht der Gleichstellung ist ja nun endlich einmal durch alle Ausschüsse gegangen. Und dort wurde hoffentlich die Zeit genutzt im Sinne dieser Querschnittaufgabe darauf zu schauen, wie es  jeweils im Einzelnen um die Sache steht!

Wenn wir nun die Schlussdebatte im Rat führen, ist dies aus unserer Sicht Anlass, sich zwei zentralen Fragen zu widmen:

1. Wo steht die Gleichstellung in Oberhausen und gibt es hier nennenswerte Fortschritte?

Wir reden ja hier nicht über eine freiwillige Leistung, sondern über einen Anspruch, den uns die Verfassung doch schon so lange auf die Fahnen schreibt und der grundsätzlicher, verbindlicher kaum formuliert werden kann.
Also: Gleichstellung strategisch und handlungsorientiert gedacht. Und daraus ergib sich die zweite Frage:

2. Wofür setzt sich die Gleichstellung eigentlich ein und ist die vielbeschworene Vielfalt eigentlich originär Gleichstellungsarbeit oder besteht - gerade angesichts knapper Ressourcen - die Gefahr

-    sich zu verzetteln,

-    oder „zwar überall dabei gewesen zu sein,“ ohne jedoch wirklich etwas zu bewegen?

Frau Costecki, diese Frage möchte ich Ihnen daher stellen:
Wollen Sie hier etwas bewegen und damit an die Strukturen gehen oder wollen Sie die - ich nenne es einmal etablierte - Gleichstellungsarbeit nur verwalten?

Frau Schmidt hat es im Gleichstellungsausschuss so treffend formuliert: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen …“ Haben wir es uns hier nicht vielleicht inzwischen ganz schön eingerichtet? Tut es uns angesichts dessen, dass in der Vergangenheit ja schon so viel erreicht, vielleicht nicht mehr so wirklich weh - zumindest wenn wir nicht genau hinschauen … ?

Reicht uns das? Nein, das kann uns nicht reichen!

-    Wir brauchen eine Priorisierung der Aufgaben!

-    Wir brauchen die Identifikation von strategischen Handlungsfeldern!

-    Wir brauchen fundierte Analysen!

Hier ist ein Schulterschluß mit der Politik die große Chance - so wir sie ergreifen. Und so ist dies auch Anlass, um etwas zum Gleichstellungsausschuss zu sagen, der mit einem 63%igem Frauenanteil die Geschlechterverhältnisse hier einmalig auf den Kopf stellt:

Es sind keine Beschlussvorlagen in den Gleichstellungsausschuss zur Vorberatung gegangen - wenn wir von den Ausnahmen „Frauenförderplan“ sowie der nur formal vorberatenen Haushaltsberatung  absehen. Da uns die meisten Vorlagen in der Politik erst bekannt werden, wenn sie in Allris eingestellt werden, stellen sich für uns folgende Fragen:

-   Gab es da nichts oder wurde nichts angeboten?

-   War dies Thema im Verwaltungsvorstand und hat die Gleichstellungsbeauftragte hier eine Liste mit gleichstellungsrelevanten Themen?

-   Gab es da nichts in den Bereichen Schule, Soziales, Sport, Jugend, Planung etc., die auch aus genderpolitischer Perspektive hätten thematisiert werden können oder werden müssen?

 Hier erwarte ich von Ihnen, Frau Costecki, aber auch von den anderen Mitgliedern im Verwaltungsvorstand ein proaktives Vorgehen!

Der Ausschuss ist dadurch nach wie vor sehr berichtslastig und damit leider vor allem eine Informationsveranstaltung. Dies muss doch besser gehen! Und insbesondere brauchen wir schriftliche Vorlagen, so dass wir uns vorbereiten können!

Wenn ich mir nun die behandelten Themen anschaue, so gab in den ersten 11 Sitzungen 32 Berichte. Sind diese Berichte eigentlich auch in anderen Ausschüssen gegangen, damit der Querschnittsaufgabe gerecht wird?

Ganze 19 Berichte widmeten sich folgenden Themen:

-   Obdachlosigkeit

-   Prostitution

-   Alleinerziehende

-   LSBTI

-   Migration und Flucht

-   Gewalt.

Hier könnten wir zu der Einschätzung gelangen, dass sich die Gleichstellung eher auf Nischen konzentriert, als einen breiten Strukturprozess anzuschieben, der sich dann selbstverständlich auch um diese Nischen kümmern würde.

Und so fragen wir:

a) Muß sich primär die Gleichstellung darum kümmern oder werden hier womöglich Aufgaben aus anderen Bereichen weg delegegiert?

b) Müßte man denn hier nicht eher  bei den Ursachen ansetzen und die Sache genereller angehen und fragen: Was sind die Stellschrauben und wo kann Politik dies beeinflussen?

„Die Politik“ macht sich hier auf den Weg und hat sich bisher mit 4 Anträgen eingebracht. Allerdings sehen wir, dass es nicht so einfach ist, Themen unterzubringen. Sicherlich haben Sie Argumente, wenn Sie auf die Stellensituation verweisen. Aber haben Sie sich eigentlich schon einmal vor Augen geführt, dass Sie mit dem Gleichstellungsausschuss quasi 21 potentielle ehrenamtliche Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben bzw. noch für sich gewinnen können? Wir wollen nicht informiert werden, sondern partizipieren!

Nach über 30 Jahren Gleichstellungsarbeit haben wir nun seit wenigen Jahren auch den Bericht dazu. Wenn wir jetzt noch aus dem Verwaltungshandeln zu einer besseren Zusammenarbeit mit der Politik kommen, wäre viel gewonnen! Und vielleicht bekommen wir so auch noch ein anderes Bild von der Arbeit der Gleichstellung. Denn eines möchte ich an der Stelle ungern noch einmal hören:

„Haben wir denn nichts Wichtigeres zu tun…?“

Hier fragen wir uns allerdings, ob die Gleichstellungsbeauftragte dazu den Rücken frei hat. Sie wirkt ihrem Auftrag gemäß ja bei allen Vorhaben und Maßnahmen der Gemeinde mit, die die Belange von Frauen berühren oder Auswirkungen auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann und die Anerkennung ihrer gleichberechtigten Stellung in der Gesellschaft haben. Sie arbeitet mit ihren Mitarbeiterinnen darauf hin, vorhandene Benachteiligungen von Frauen abzubauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu verbessern. Und so machen wir uns an einer Stelle Sorgen und haben es bereits bei der Einbeziehung der Gleichstellung in das Büro für Chancenengleichheit kritisch gesehen. Mit einer Doppelrolle in Büro für Chancengleichheit wird aus unserer Sicht die Arbeit der Gleichstellung konterkariert, wenn dies nicht entsprechend ausgeglichen wird. Hier gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wo sich die Gleichstellungsbeauftragte positionieren könnte, sie ist eindeutig durch ihre Rolle legitimiert. Doch werden hier Schwerpunkte so auch präjudiziert. Hier sehen wir Diskussionsbedarf.

Insgesamt müssen wir unsere Ansicht nach bei der Gleichstellung grundsätzlicher dran, denn so verzetteln wir uns hoffnungslos. Dieses Thema muss breit angegangen werden - und eben nicht als „Frauenarbeit“, die so nicht mehr zeitgemäß ist.

Wir brauchen eine generelle Strategie, wie sie im Gender Mainstreaming schon vor Jahren wunderbar formuliert wurde. In der Koalition dachten wir, fangen wir doch mal mit einem Thema, dem Gender Mainstreaming Stadtplanung an. Aber die Zähigkeit der Diskussionen darum zeigen uns auch, dass wir es doch breiter angehen müssen. Andere Städte sind uns hier um Jahre voraus, auch die Bundesregierung macht es uns vor. Das heißt, wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden. So gibt es z.B. die Europäische Charta für die Gleichstellung von Männern und Frauen auf lokaler Ebene, die schon in 1512 Kommunen in 32 Ländern unterzeichnet wurde, darunter hier in der Nähe z.B. in Duisburg, Bottrop, Wuppertal, Recklinghausen, Mülheim/Ruhr und Düsseldorf. Dies würde auch hier in Oberhausen eine Möglichkeit darstellen. Dies wollen wir weiter verfolgen.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren, und ich stelle fest:
In Oberhausen ist für die Gleichstellung noch immer sehr viel zu tun. Packen wir es gemeinsam an, wir profitieren alle davon!

Vielen Dank!

 

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