Haushaltsrede 2019 von Andreas Blanke (Ratssitzung, 19.11.2018)

(Es gilt das gesprochene Wort) Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, für meine heutige Haushaltsrede machte ich mich auf die Suche nach einem Philosophen, der es erlaubt, einen roten Faden für meine Haushaltsrede zu spinnen. Gelandet bin ich bei der Tugendethik des Aristoteles. Für Aristoteles war die Tugend eine Frage von Maß und Mitte. Er lehrte, man müsse das Übermaß vermeiden. So solle man sich vor Tollkühnheit genauso hüten wie vor der Feigheit. Der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat diese Theorie etwas erweitert und darauf sein Wertequadrat gesetzt. Jede Tugend hat demnach eine Schwestertugend, und zu beiden gibt es Übertreibungen, die ganz und gar von Übel sind. Ein besonders leicht verständliches Beispiel sind Sparsamkeit und Großzügigkeit.

20.11.18 –

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

für meine heutige Haushaltsrede machte ich mich auf die Suche nach einem Philosophen, der es erlaubt, einen roten Faden für meine Haushaltsrede zu spinnen. Gelandet bin ich bei der Tugendethik des Aristoteles.

Für Aristoteles war die Tugend eine Frage von Maß und Mitte. Er lehrte, man müsse das Übermaß vermeiden. So solle man sich vor Tollkühnheit genauso hüten wie vor der Feigheit.
Der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun hat diese Theorie etwas erweitert und darauf sein Wertequadrat gesetzt. Jede Tugend hat demnach eine Schwestertugend, und zu beiden gibt es Übertreibungen, die ganz und gar von Übel sind. Ein besonders leicht verständliches Beispiel sind Sparsamkeit und Großzügigkeit.

Wer es mit der Sparsamkeit übertreibt, wird von Geiz zerfressen und sollte generöser werden. Wer hingegen gar zu großzügig ist, wird sich ruinieren und sollte sparen üben.
Auch wenn wir heute keinen Haushalt verabschieden, der von Geiz zerfressen ist, so haben die letzten Wochen der Haushaltsberatungen gezeigt, dass Geiz eben nicht geil ist, sondern Sparsamkeit auch 2019 in Oberhausen eine Tugend sein wird. Es hat sich aber auch gezeigt, dass sich durchaus Räume schaffen lassen, die nicht unbedingt eine übermäßige Großzügigkeit bedürfen und mit vorhandenen Mittel sowie unter Ausschöpfung der gestalterischen Spielräume – sich positiv auf die Entwicklung Oberhausens auswirken werden.

Bleiben wir aber zunächst bei Aristoteles und zu seiner Frage von Maß und Mitte. Lassen Sie mich an einigen Beispielen klar machen, wie aus Sicht meiner Fraktion mit dieser These umgegangen werden muss, ohne unbedingt als tollkühn oder feige bezeichnet zu werden, denn 2019 stehen wir auch weiterhin vor ganz erheblichen Herausforderungen z.B. in Sachen Klima- und Umweltschutz aber auch für die Neuausrichtung der kommunalen Mobilität.

Es war Ende 2017 weder tollkühn noch utopisch, als wir als treibende Kraft der Koalition das Thema der kommunalen Mobilitätswende angestoßen haben. Wir haben damit wichtige Impulse gesetzt. Heute, ein Jahr später gibt es aus unserer Sicht in Punkto Maß und Mitte noch eine Menge Luft nach oben und seit Donnerstag wissen wir, dass Fahrverbote nun auch für die ersten Städte im Ruhrgebiet drohen. Auch Oberhausen und die Mülheimer Straße stehen im Focus einer weiteren Klage.

Seit Jahren müssen die Menschen entlang der Mülheimer Straße, aber auch an anderen Hauptverkehrsstraßen, mit diesen gesundheitsgefährdenden Lebensbedingungen mehr oder weniger leben. Dieser Gesundheitsschutz ist seit Jahren immer dem Grundsatz „Freie Fahrt für freie Bürger“ geopfert worden. Damit muss nun Schluss sein.

Wir sind immer gegen Fahrverbote gewesen und haben deshalb für einen konsequenten Ausbau der Alternativen zum Auto plädiert. Nun rächt sich die jahrelange Blockadehaltung der Bundesregierung und die erfolgreiche Lobbyarbeit der Automobilkonzerne zu Gunsten dreckiger Dieselfahrzeuge.

Die Hauptverantwortung für dieses Desaster hat die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von Union und SPD. Auch Oberhausen muss nun voraussichtlich die Zeche dafür zahlen, denn immer noch nimmt die Bundesregierung es stoisch hin, dass die Autoindustrie Millionen von Menschen ungestraft hintergehen und betrügen konnte – und nun diese die Leidtragenden sind, obwohl sie die eigentlich Betrogenen sind. Wertverluste im vierstelligen Bereich für Bürgerinnen und Bürger werden von der Regierung genauso hingenommen, wie die Probleme, die kleine Handwerksbetriebe und Gewerbetreibende mit ihren Dieselfahrzeugen bekommen. Statt endlich für Hardware-Nachrüstungen ausschließlich auf Kosten der Autoindustrie zu sorgen, besorgt man dieser lieber mit sogenannten Umtauschprämien ein neues Konjunkturprogramm. Folgt man Aristoteles, ist dies wohl eher als feiges Handeln zu bezeichnen.

Was aber können wir jetzt und im nächsten Jahr tun? Die Forderung meiner Fraktion ist nicht neu, denn für eine nachhaltige Mobilitätswende muss die Infrastruktur verbessert und teilweise neu geschaffen werden.

Wir müssen als Kommune selbst initiativ werden, wir müssen das regeln, was wir eigenständig tun und auch finanzieren können. Jammern allein ist nicht zielführend.
Wir wollen handeln und werden deshalb Anfang des kommenden Jahres mit mehreren Initiativen in die Gremienberatungen gehen. Wie das konkret aussieht, will ich hier kurz exemplarisch vorstellen:

Wir wollen die emissionsarme Mobilität stärken. Hierzu soll unter anderem Kontakt zu Einzelhandelsunternehmen aufgenommen werden, um diese für eine Bewerbung der Landesförderung „Emissionsarme Mobilität“ zu gewinnen, da diese u.a. eine Förderung von 30 Prozent beim Kauf eines Elektro-Lastenfahrrads vorsieht.
Die gefördert erworbenen E-Lastenräder können dann an Kundinnen und Kunden der Einzelhandelsunternehmen für den Transport von schweren Einkäufen verliehen werden. Somit können unnötige PKW Fahrten auf kurzen Strecken überflüssig und unattraktiv werden.

Außerdem wollen wir eine Mobilitätsstation zur Förderung der Vielfalt der emissionsfreien Fortbewegung in Oberhausen einrichten, die als Anlaufpunkt dienen soll, an dem Leihräder, elektrisch betriebene Lastenräder, Elektroroller, Carsharing-Fahrzeuge und ÖPNV-Tickets angeboten werden. Ergänzend sollen dort Beratungen zur situationsadäquaten Fortbewegung angeboten werden und die umweltfreundlicheren Alternativen zum Auto hervorgehoben werden. Geprüft werden sollte die Kombination des Projektes mit Arbeitsmarktprojekten für Langzeitarbeitslose.

Die Mobilitätsstation ergänzt dabei aus unserer Sicht die Arbeit von konzeptionell arbeitenden Mobilitätsmanagerinnen bzw. Mobilitätsmanagern, die durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit ein Umdenken zu energieeffizienterer, umweltfreundlicherer Fortbewegung fördern sollen. Hierzu hat der Bürgerantrag des BUND und ADFC gute Anregungen geliefert.

Eine weitere Maßnahme zur Attraktivitätssteigerung der Elektromobilität soll die Befreiung von Parkgebühren für Fahrzeuge mit E-Kennzeichen oder einer Plakette für elektrisch betriebene Fahrzeuge sein. Hier ist lediglich die Parkgebührenordnung zu überarbeiten.
Eine Fördermaßnahme seitens des Bundes wurde durch das Elektromobilitätsgesetz bereits im Juni 2015 erlassen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

und damit Aristoteles erneut bemüht werden kann, wollen wir Grüne auch durchaus etwas nahezu Tollkühnes auf den Weg bringen, denn was die Bundesregierung nicht hinbekommt, wollen wir in Oberhausen zumindest im Kleinen versuchen, in dem wir eine Diesel-Abwrackprämie prüfen lassen wollen.
Unter dem Motto „Tausche Diesel-Fahrzeug gegen kostenloses ÖPNV-Ticket“ soll die Verwaltung prüfen, wie allen privaten Halterinnen und Haltern von in Oberhausen zugelassenen Diesel-PKWs der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 ein kostenloses, lebenslang gültiges ÖPNV-Ticket 2000 der Preisstufe A im Tausch gegen eine zertifizierte Verschrottungs-Bescheinigung ihres Diesel-PKWs angeboten werden kann. Hierfür soll ein rechtssicheres Durchführungs-konzept bis zur Sommerpause 2019 vorzulegen sein.

Auch die permanenten Verstöße gegen die Fahrverbote in der Umweltzone sind nicht länger akzeptabel. Wir fordern daher eine regelmäßige und engmaschige Kontrolle der Durchfahrtsverbote für LKW ab 3,5t Gesamtgewicht auf der Mülheimer Straße. Hierzu sollen zwei stationäre Blitzanlagen zur Kontrolle und Ahndung von LKW-Durchfahrten angeschafft werden und ihre Wirksamkeit regelmäßig evaluiert werden.

Neben der weiteren Attraktivierung des Radverkehrs in Oberhausen – wir kommen im weiteren Verlauf der heutigen Ratssitzung darauf ja noch einmal zurück – muss auch der öffentliche Nahverkehr in Oberhausen gestärkt werden. Angesichts der zunehmenden Dichte des motorisierten Individualverkehrs mit den Folgewirkungen Staus, gesundheits-gefährdende Feinstaubbelastung, Lärm und klimaschädlichen CO2-Ausstoß bedarf es deutlich verstärkter Anstrengungen, die den ÖPNV unattraktiv machenden Begleiterscheinungen so zu verändern, dass mehr Menschen eine Systementscheidung fort vom eigenen Auto zur dauerhaften Nutzung des ÖPNV vollziehen.

Hierfür sind fünf Faktoren besonders wichtig:
Wir müssen mittelfristig das Preisniveau senken, denn seit Jahren werden die Fahrpreise auch für die regelmäßigen Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV erhöht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird zunehmend schlechter. Eine mehrjährige Pause bei Tariferhöhungen ist unabdingbar.

Die Sauberkeit und Sicherheit in Bahnen und Bussen erhöhen, da die Nutzung des ÖPNV in den Augen der Nutzerinnen und Nutzer angesichts systembedingten Komforts – und Zeitverlustes nur dann attraktiv ist, wenn die Fahrten in sauberen und sicheren Verkehrsmitteln dauerhaft gesichert sind.

Auch die Zuverlässigkeit der Fahrten ist zu steigern, die Anschlussfahrten müssen gewährleisten sein und die Kommunikation ist zu verbessern, denn angesichts gesellschaftlich zunehmenden Zeitdrucks im beruflichen und privaten Umfeld ist die Unzuverlässigkeit der Verkehrsmittel für viele potenzielle Nutzerinnen und Nutzer der abschreckendste Faktor bei der Entscheidung, den ÖPNV dauerhaft zu nutzen.
Daher bedarf es unserer Ansicht nach im Stadt- und Regionalverkehr erhebliche Anstrengungen, pünktliche Ankunftszeiten und funktionierende Anschlüsse zu gewährleisten.

Erhebliche Investitionen in das Schienennetz und in neue Busse und Bahnen müssen einhergehen mit kurzfristig zu realisierenden Maßnahmen, die Pünktlichkeit zu erhöhen.
Weitere Sparsamkeit ist hier das falsche Signal.

Wir brauchen in der Metropolregion Ruhr eine Verbesserung städteübergreifende Verbindungen, da angesichts einer zersplitterten Landschaft von Verkehrsgesellschaften die Interessen von Fahrgästen an einer übergreifenden, aufeinander abgestimmten Planung von Bus-und Bahnlinien auf der Strecke bleiben. Gefordert ist eine übergreifende Planungsinstanz und ein Finanzierungs-instrumentarium, welches unabhängig von den finanziellen Grenzen der jeweiligen Stadt ein an den Mobilitäts-bedürfnissen der Nutzerinnen orientiertes Angebot entwickelt.

Last but not least müssen die Verkehrstakte verkürzt und das Linienangebot ausgebaut werden, denn große Metropolen machen es vor: Der ÖPNV ist in dem Maße attraktiv, wie Taktzeiten kurz und ein morgendliches und ein nächtliches, durchgehendes Angebot vorhanden sind. Der Trend des letzten Jahrzehnts, das Linienangebot auszudünnen, muss als teurer Irrweg der Verkehrspolitik erkannt und im Rahmen einer Verkehrswende dauerhaft durch deutliche mehr Investitionen in Netze, Material und Personal umgekehrt werden.

Die Zeit der Appelle ist vorbei: Land und vor allem der Bund müssen ihre Zuschüsse dauerhaft erheblich aufstocken. Oberhausen kann die Kosten hierfür nicht allein stemmen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Lassen Sie mich zum Schluss nochmals an die These von Friedemann Schulz von Thun anknüpfen:

„Wer es mit der Sparsamkeit übertreibt, wird von Geiz zerfressen und sollte generöser werden. Wer hingegen gar zu großzügig ist, wird sich ruinieren und sollte sparen üben.“

Politische Spielräume schaffen bedeutet die Finanzen im Blick zu haben. Das hat nichts mit übertriebener Sparsamkeit noch mit überzogener Großzügigkeit zu tun. Die Grüne Ratsfraktion stimmt diesem Haushalt zu, denn wir halten es für wichtig, dass Oberhausen auch 2019 handlungsfähig bleibt, damit wir die Zukunft gestalten und die gesetzten Ziele erreichen können. Das stellen wir mit unseren Stimmen sicher und nehmen so unsere Verantwortung wahr.

Wir sehen gerne in eine grünere Zukunft. Für andere hier im Saal stellt sich die Zukunft vermutlich anders dar. Vielleicht ist sie dann am Ende bunt – das wäre für uns auch eine gute Vision.

Lassen Sie uns an einer guten, vielfältigen, bunten Zukunft für Oberhausen arbeiten, bleiben wir großzügig bei unserer Willkommenskultur für geflüchtete Menschen, sind wir nicht feige, wenn es darum geht auch in Oberhausen für eine offene Kultur des Miteinanders zu stehen, behalten wir beim politischen Streit immer Maß und Mitte im Auge und sind wir manchmal – bei aller nötigen Sparsamkeit ein wenig utopisch. Am besten gemeinsam und im Dialog.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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